Das Reisen ist der kreative Stachel, der dem Kanadier Bruce Cockburn immer wieder phantasievolle Poesie in die Feder und bestrickend schöne Melodien in die Gitarrensaiten diktiert. Mit offenen Augen und Ohren nimmt der Song-schreiber Anteil an der Welt - Cockburn gehört zu jenen fast schon altmodischen Rockmusikern, denen das authentische in ihren Liedern über alles geht - und so ist jedes neue Album ein Gewinn, selbst wenn es sich nicht gravierend von Früheren unterscheidet. Wer mit Cockburns Meisteralben "Stealing Fire" (1984) und "World Of Wonders" (1986) vertraut ist, wird in "Big Circumstance" kaum etwas Neues entdecken. Die 1987/88 in Toronto entstandenen Songs porträtieren Menschen in Fernost und Mittelamerika. In einem der eindruckvollsten Lieder, "Radium Rain", ver- arbeitet der Kanadier den Tschernobyl-Schock, den er auf einer Konzertreise in Köln erlebte. Wie die Verse zwischen politischer Chronik und persönlichen Gefühlen wechseln, variiert auch die großräumig-atmosphärische Musik zwischen starkem Rock - glänzend im EröffnungStück "If A Tree Falls" - und Balladenromantik ("Don't Feel Your Touch"). Einige Titel allerdings erreichen nicht die hypnotische Dichte des wunderbaren "World Of Wonders". CD-Booklet und LP-Hülle warten mit deutschen Textübersetzungen auf. Oben- drein ist "Big Circumstance" eines der wenigen Rockalben, das ohne Bonus- Tracks auf eine Spielzeit von über 60 Minuten kommt. (Stereoplay)