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Das Album “Marcher sur la tête” war das erste Projekt von KiKu, einem Duo bestehend aus Yannick Barman und Cyril Regamey, die sich schon am Conservatoire de Lausanne über den Weg liefen. In diesem Projekt begann eine intensive Auseinandersetzung mit Stimme und Text als wichtigster Ausgangspunkt, als freier Raum für ihre musikalische Arbeit: Am 20. Januar wandert Lenz bei nasskaltem Nebelwetter durch die Vogesen nach Waldbach. Die Gebirgslandschaft und die Natur erlebt er als unwirklich und abweisend und fühlt sich verfolgt vom Wahnsinn, der scheinbar auf Pferden hinter ihm her jagt. Er verliert das Gefühl für Raum und Zeit, hat vorübergehende Bewusstseinsstörungen und Angstzustände. Ein unüberarbeiteter, lückenhafter Text der zu den unumstrittenen Meisterwerken deutschsprachiger Prosa gehört, ein weites Feld... Es sind genau diese traum- und wahnhaften, manchmal idyllischen aber stets getriebenen Klänge, die den Stil dieses ersten Werkes von KiKu ausmachen: Sie bemächtigen sich einiger Schlüsselstellen von Büchners Werk und streuen sie als freie Elemente in ihre Stücke ein, die durch das elektrisierende Spiel des Gitarristen David Doyon ausgelotet, intensiviert und an die schiere Grenze des Vorstellbaren geführt wird. Man kann sie hören, Lenz› nächtliche Bäder im eiskalten Wasser oder seine späteren Selbstverletzungen («Oft schlug er sich den Kopf an die Wand, oder versetzte sich sonst einen heftigen physischen Schmerz»), vergebliche Versuche, sich der Existenz einer objektiven Wirklichkeit zu vergewissern. Die Stimme, die dieses oeuvre trägt und zum vollendeten Ausdruck bringt gehört keinem Geringeren als Blixa Bargeld, dem Sänger von den Einstürzenden Neubauten. Als verführerischer Anstifter begleitet Bargeld das Publikum durch dieses surreale und narrative Universum. Mit «Marcher sur la tête» gelang KiKu, Poetik und musikalisches Abenteuer verbindend, ein innovatives Album von grosser Intensität.
Dem zweiten Album, es trägt den Titel “Eng, Düster und Bang”, liegt ein Text des deutschen Schriftstellers Jean Paul zugrunde: Das erste Blumenstück aus dem Roman “Siebenkäs” ist überschrieben mit: Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei. Blixa Bargeld trug diesen Text schon lange mit sich herum und hat ihn KiKu schliesslich als Basis für eine weitere Zusammenarbeit vorgeschlagen. Dieser Text ist ein Meisterwerk der deutschen Sprache und ein Schlüsseldokument des modernen Atheismus, zugleich ein autobiographisches Zeugnis des Dichters, der aus einem Pfarrhaus stammte... An einem Sommerabend schläft der Erzähler im Freien ein und träumt davon, dass er auf einem Friedhof – eine Stunde vor Mitternacht – durch die Schläge einer Turmuhr geweckt wird und miterlebt, wie sich alle Gräber auftun. Das Jüngste Gericht scheint anzubrechen, denn gleichzeitig wird alles von einem Erdbeben erschüttert, so wie es sich die apokalyptische Phantasie von Jahrtausenden ausgemalt hatte. Der Erzähler tritt in die wankende Kirche ein, wo sich alle Toten als Schatten um den Altar herum versammeln. Wir werden Zeuge einer Art kosmischer Messe, da sinkt auf einmal, von oben herab, Christus auf den Altar. Alle Toten rufen von sich aus, angsterfüllt, als hätten sie es geahnt: „Christus, ist kein Gott?“. Und er, der Offenbarer, der die Wahrheit verkündet sagt nur: „Es ist keiner.“ Christus als tränenüberströmte Jammergestalt. Die Welt versinkt, und die Leichen, ohnehin nur Schatten, zerflattern. Kein Weltgericht und kein ewiges Leben im Himmel bei Gott erwarte die Menschen, wohl aber ein stürmisches Chaos in der ewigen Mitternacht voller Schmerzen.
In diesem Projekt ist der Text in eine Folge von Stücken und Liedern aufgeteilt, die insgesamt als Suite gehört werden können. Satte und inspirierende Grooves und kirchlich anmutende Melodik verbinden sich zu einem suggestiven Sog. Genauso wie Jean Pauls Worte aus Blixa Bargelds Mund wirkt die Komposition als kosmische und religiöse, ja weltanschauliche Vision nicht nur aktuell sondern zeitlos. An einigen Stellen, wie schon auf dem ersten Album “Marcher sur la tête”, übernimmt der New Yorker Rapper Black Cracker den Part des Erzählers und entführt den Zuhörer mit seiner frappanten und persönlichen Poetik in seinen Bann und erweitert das akustische Feld, das der Komponist Yannick Barman erschaffen hat: Melancholie, treibende Urgewalten und Instinkte aber auch immer wieder musikalisch aufleuchtende Hoffnungsschimmer und chorisch-leichtes, ja spielerisches Gewölk über einer sich im ängstlichen Umbruch befindlichen Welt.
(Gian Manuel Rau/Yannick Barman) - Details
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- 1 Zueignung / Nightmare
- 2 Ich lag einmal vor der Sonne auf einem Berge
- 3 Wo bist Du?
- 4 Misstöne
- 5 Hohlspiegel
- 6 Atomic Bomb
- 7 Overkill
- 8 Tanz
- 9 Eng, Düster und Bang
- 10 Morgen wie Ich
- 11 Like this
- Produktinfo
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Zusatzinformation
Interpret KIKU FEAT. BLIXA BARGELD & BLACK CRACKER Genre Deutscher Pop Label Everest Records Art. Nr. X00318599-6 EAN 7640136111053 Medium LP+Download Set-Inhalt 2 Veröffentlichungsdatum 29.09.2017 FSK Nein Preis-Code 2600
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