Live aus dem Wiener Burgtheater

Mein Vater Kurt hatte einen etwas seltsamen Job. Wobei »Job« wohl nicht der richtige Ausdruck ist. Er war Beamter. Er war Garderober im Wiener Burgtheater. Die deutsche Berufsbezeichnung lautet »Ankleider«. Er half also als gelernter Schneider den Kammerschauspielern ins Gewand. Und ich sah ihm dabei manchmal zu. Nicht nur das. In regelmäßigen Abständen saß ich als kleiner Junge neben meiner Mutter Paula in der 3. Reihe des Burgtheaters und ließ, eingezwängt in einen selbst-geschneiderten Anzug, so manchen Klassiker über mich ergehen. Und trotz der manchmal aufkommenden Langeweile faszinierte mich diese fremde Welt, welche so gar nichts mit der Welt jenseits der Ringstraße zu tun hatte. Und mein Vater war ein Teil dieser fremden Welt. Das machte mich natürlich sehr stolz und ich beschloss, in seine Fußstapfen zu treten. Für ihn war es ein Schock, für mich Bestimmung. Seit zwanzig Jahren spiele ich nun Theater jenseits der Ringstraße. Ich denke, es ist an der Zeit, den Ring erhobenen Hauptes zu überqueren und meinen Wurzeln ihren Tribut zu zollen. Düringer im Burgtheater. Ich finde, das klingt gut. Auch wenn das aus meinem Munde befremdlich klingen mag, aber für mich geht nun ein Kindheitstraum in Erfüllung.

Roland Düringer